Solidarität mit Maria Kalesnikava

07.02.21

STUTTGART

Kundgebung mit Marsch zum Theaterhaus

mit Beiträgen von Tanya Khomich, Nikola Lutz, Hans-Joachim Fuss sowie Zeitzeugen

Organisation: Belarusische Community Stuttgart

Aus diesem Anlass hielt Nikola Lutz folgende Rede:

"Liebe Mascha,
Liebe Tanya,
Liebe Mitbürger aus Belarus,
Liebe Anwesende,

„Nichts auf der Welt ist stärker und ausdauernder als der Wunsch nach Freiheit, gegen diesen Wunsch kann keine Regierung bestehen, ebenso wenig wie ein Tyrann mit seiner Armee.“
Dieser Satz stammt nicht ganz zufällig aus einem Science Fiction Film. Er spielt in einer Zukunft, in der Menschen den Weltraum besiedelt haben, ihn mit Raumschiffen bereisen und dort oben leider auch Kriege führen. Dennoch kommt der Protagonist dieser Geschichte zu dem Schluss, dass es nichts gäbe, das stärker ist als der Wunsch nach Freiheit.

Das belarusische Volk zeigt eine schier unglaubliche Entschlossenheit, seinen Weg in die Freiheit zu gehen und fortzusetzen, komme was da wolle, und Mascha Kalesnikava verkörpert diese Entschlossenheit wie niemand anderes. Mehr noch - ihr unglaublicher Mut wirkt niemals abgehärtet und ihre Gesten sind lebendig und liebevoll. Trotz ihres anhaltenden Gefängnisaufenthaltes ist sie stark und nach wie vor guten Mutes, wie ich vorgestern hörte. Und dennoch braucht sie Schutz.

Mascha Kalesnikava kenne ich aus unserer gemeinsamen Vorstandsarbeit im Stuttgarter Kollektiv für aktuelle Musik. Einmal hatten wir geplant ein Trioprogramm zusammen zu stellen und eine Tournee nach Belarus und in die Ukraine zu unternehmen. Doch die Finanzierung kam nicht zustande, und ich habe ihre Heimat nie kennen gelernt. Ich hatte keinerlei Vorstellung von den Verhältnissen vor Ort bis ich plötzlich von ihrer Entführung hörte. Zornig über das unfassbare Unrecht, das ihr widerfuhr, organisierte ich spontan eine Demonstration. Obwohl sich Politiker aller Ebenen an den Protesten, die hier und anderswo statt fanden, beteiligten wurde leider bald klar, dass es keine schnelle Befreiung geben würde. In Stuttgart bildete sich ein dynamisches Netzwerk aus Künstlern und belarusischen Aktivisten, das regelmäßig Aktivitäten organisierte. Es galt, die öffentliche Aufmerksamkeit zu halten.

Im Zuge mehrerer Demonstrationen lernten wir uns gegenseitig kennen und merkten, dass es im Herzen Europas eine Kultur gab, von der wir erschreckend wenig wussten. Wir planten, den Stuttgartern die belarusische Kultur mit Ausstellungen und Veranstaltungen näher zu bringen. Der zweite Lockdown im November zwang uns in den digitalen Raum. In unserem eigenen Science Fiction verklemmten wir uns ein wenig in den Bits und Bytes und versuchten geeignete Strategien zu lernen um auch dort etwas bewirken zu können. In der Zwischenzeit gingen normale Arbeiten weiter, und zu meiner eigenen Überraschung begegnete ich immer wieder unerwartet der Postkarte, die wir für Mascha gemacht hatten. Ich fand sie zufällig im Unterrichtsraum einer Musikschule, und Menschen, denen ich sie anbot hatten sie schon verschickt. Sie hatte sich viel weiter verbreitet als ich dachte. Vielleicht war sie zu einem verborgenen Gewebe geworden, einem Wegbegleiter im Hintergrund, der uns in unserem Zurückgeworfensein durch Lockdown und Ausgangssperre Mascha immer wieder ins Gedächtnis rief.

Gerne bin ich dem Wunsch von Tanya Xomich nachgekommen, heute hier zu sprechen. Angesichts der Größe der in Bezug auf Belarus zu bewältigenden Aufgabe und der Härte ihrer Herausforderungen ist mein Beitrag gering. Dennoch möchte ich meine persönliche Solidarität sowie unsere Solidarität als SKAM e.V., als Künstlerinnen, als Stuttgarterinnen, als Europäer*innen mit Mascha und der belarusischen Freiheitsbewegung zum Ausdruck bringen.
Zum wohlverdienten Menschenrechtspreis der Gerhard Baum Stiftung, der gleich im Anschluss überreicht wird, gratuliere ich Mascha Kalesnikava jetzt schon von ganzem Herzen und auch dir, liebe Tanya Xomich, die du als Überbringerin die Reise nach Stuttgart angetreten hast. Meinen persönlichen Dank möchte ich auch Christine Fischer mit dem Eclat Festival sowie der Gerhard Baum Stiftung aussprechen, die trotz der widrigen Umstände, die wir im Moment weltweit vorfinden, diese wichtige Hinwendung auf Mascha und die Situation des belarusischen Volkes realisieren.

Möge der Preis dazu beitragen Mascha zu schützen und allen Belarusen und Belarusinnen den Rücken zu stärken, so dass sie am Ende zu demselben Schluss kommen wie unser Filmheld, und sich ihr unbeugsamer Wunsch nach Freiheit schließlich realisiert.

In diesem Sinne schließe ich mit einem herzlichen, solidarischen “Жыве Беларусь!”!"

Loading...