Über das Projekt

Das Projekt FREE MASCHA besteht aus folgenden Elementen:

Erstens ist es ein Online Archiv von Aktivitäten rund um Maria Kalesnikava. Wir möchten alles, was zu diesem Thema bereits statt fand, hier dokumentieren. Sollte dir also auffallen, dass in unserem Archiv etwas fehlt, teile es uns bitte mit.

Zweitens ist es ein unabhängiger Veranstaltungskalender. Unser Ziel ist es, über aktuelle Aktivitäten möglichst vollständig zu informieren, um damit Interessierten jenseits bestimmter Orte oder Zielgruppen Information über Veranstaltungen rund um Mascha Kalesnikava zu verschaffen. Solltest du also eine Veranstaltung planen, teile sie uns bitte mit. Unsere Publikation ist gratis und kann dir auch dabei helfen, dein Publikum zu erweitern.

Drittens möchten wir einen öffentlichen Ort für Mascha Kalesnikava in Stuttgart schaffen, mit dem sich alle an dem Thema interessierten Gruppen identifizieren können. Dieser Ort soll als zentrale Anlaufstelle für verschiedenste Veranstaltungsformate wie Konzert, Demonstration, Kundgebung, Performance fungieren und ein Ort für Identifikation, Kommunikation und Information werden. Mit einem offenen Gesamtkunstwerk wird Mascha in der Stadt sichtbar gemacht. Zentrales Element dieses Kunstwerkes wird ein Portrait Kalesnikava’s sein, das von Nikola Lutz konzipiert wird und sich durch weitere Mitwirkende als prozesshaftes Gemeinschaftskunstwerk entwickelt.

Unser erklärtes Ziel ist es, das Vergessen von Mascha und anderen langjährig in Haft befindlichen politisch Verfolgten unmöglich zu machen. Darüber hinaus soll dieser Ort dazu ermutigen, selbst Mitverantwortung für Demokratisierung und (Rede-)Freiheit zu übernehmen.

Aktuell suchen wir eine geeignete Location um diesen Plan umsetzen zu können. Für Anregungen sind wir offen und freuen uns über Gespräche.

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Maria Alexandrovna Kalesnikava

Maria Alexandrovna Kalesnikava (belarusisch: Марыя Аляксандраўна Калеснікава, russisch: Мария Александровна Колесникова / Marija Alexandrowna Kolesnikowa; von ihr selbst benutzte Transkription: Maria Kalesnikava) ist Musikerin, Lehrerin und politische Aktivistin sowie Koordinatorin des Stabes von Viktor Babariko bei den Präsidentschafts­wahlen in der Republik Belarus im Jahr 2020. Außerdem ist sie Vertreterin des gemeinsamen Stabes von Swetlana Tichanowskaja und Mitglied des Präsidiums des Koordinierungsrates für die Organisation des Prozesses zur Überwindung der politischen Krise, Vorsitzende der Partei „Vmeste“ und politische Gefangene. Am 11. September 2020 wurde Maria Kalesnikava von Amnesty International als politische Gefangene anerkannt.

Maria Kalesnikava wurde am 24. April 1982 in Minsk, Weißrussische SSR, geboren. Schon als Kind begann sie, sich intensiv mit Musik zu beschäftigen und sich als Musikerin weiterzuentwickeln. Im Alter von 17 Jahren begann sie zu arbeiten – sie unterrichtete Flöte in Minsk an der Mittelschule Nr. 192 und am Gymnasium Nr. 4. Maria ging sehr verantwortungsbewusst mit ihrer Arbeit um, war freundlich zu den Kindern und wurde von ihren Schülern und Eltern sehr geliebt. Während ihres Studiums spielte sie auch im Nationalen Akademischen Konzertorchester und im Präsidentenorchester der Republik Belarus.

Von 2002 bis 2008 nahm Maria an dem Wohltätigkeitsprojekt „Häuser statt Tschernobyl“ teil, bei dem Musiker aus Weißrussland Konzerte in Deutschland gaben, um Spenden für weißrussische Familien zu sammeln, die von der Tschernobyl-Katastrophe betroffen waren. Im Jahr 2007 schloss Maria ihr Studium an der Belarussischen Staatlichen Musikakademie mit einem Diplom in Flöte und Dirigieren ab. Im selben Jahr zog Maria nach Deutschland, um das Spiel auf der Traversflöte zu erlernen, und studierte an der HMDK Stuttgart in den Studiengängen Alte Musik und Neue Musik, die sie mit den zwei Titeln Master Alte Musik und Master Neue Musik abschloss.

Von 2007 bis 2020 lebte Maria in Deutschland. In dieser Zeit kam sie regelmäßig nach Belarus, um künstlerische Projekte zu organisieren.

Die 2010er Jahren waren von aktiver Konzerttätigkeit und der Organisation internationaler Kulturprojekte in Deutschland und Belarus geprägt. Eines der ersten Projekte in Weißrussland war eine Vortragsreihe mit dem Titel „Musikunterricht für Erwachsene“, die Maria selbständig in einem der Minsker Kulturzentrum entwickelte und organisierte. Diese Kurse waren sehr beliebt und inspirierten viele Erwachsene, mehr über Musik zu lernen.

2017 war Maria eine der Gründerinnen der kreativen Vereinigung Artemp, die in Minsk kulturelle Veranstaltungen im Bereich der zeitgenössischen Kunst durchführte, z. B. eine Komponistenakademie für Studenten der Belarussischen Staatlichen Musikakademie mit der Teilnahme berühmter Komponisten aus Deutschland.

Ebenfalls 2017 war Maria Rednerin auf der TEDx-Konferenz in Minsk, wo sie über die Bedeutung der Interaktion zwischen Menschen, die Fähigkeit, einander zuzuhören, und die Beziehung zwischen den Veränderungen in der Gesellschaft und der Musik sprach.Ab 2017 trat sie als Mitglied des Trios Vis-a-vis (Deutschland) auf.

 

Im Jahr 2018 wurde Maria Mitbegründerin des Kulturvereins InterAKT Initiative (Deutschland). Darüber hinaus war sie im Vorstand des Stuttgarter Kollektivs für aktuelle Musik (S-K-A-M e.V.) tätig.

Für Maria waren die zentralen Werte immer die Freiheit des Ausdrucks, die Freiheit der Rede, die Freiheit der Wahl. Dies kam in den Projekten zum Ausdruck, an denen sie teilnahm.

Eines dieser Projekte war „NoBody NoVoice“, bei dem Maria über die Tatsache sprach, dass Freiheit die Wahl eines jeden Menschen und seine Verantwortung ist, und dass die Wahl, frei zu sein, immer schwieriger ist, als alles „so zu akzeptieren, wie es ist“.

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2019 wurde Maria künstlerische Leiterin des Minsker Kulturzentrums OK16. Während ihrer Arbeit im OK16 wurden an diesem Ort für Belarus einzigartige Projekte durchgeführt, wie zum Beispiel das groß angelegte Kunstfestival „Mythologeme des Jahrtausends“ des weltberühmten Künstlers Alexander Rodin.

POLITISCHE LAUFBAHN

Während des Wahlkampfes für die Präsidentschafts­wahlen in Belarus 2020 trat Maria dem Stab des Präsidentschafts­kandidaten Viktor Babariko bei und wurde Koordinatorin des Hauptquartiers.

Am 16. Juli gaben die Leiter der Zentralen von Viktor Babariko (Maria Kalesnikava) und Valeria Tsepkala (Veronika Tsepkala) ihren Zusammenschluss mit der Zentrale von Swetlana Tichanowskaja bekannt, die als Präsidentschafts­kandidatin registriert wurde. Der Zusammenschluss basierte auf den folgenden Grundsätzen: Die Wähler wurden aufgefordert, die Wahlen nicht zu boykottieren, sondern zur Wahl zu gehen; in der verbleibenden Zeit vor der Wahl informierte das Team darüber, wie man seine Stimme vor Fälschungen schützen kann. Die Zentrale rief auch dazu auf, sich an Kampagnen für faire Wahlen zu beteiligen, und schlug vor, Beobachter zu werden, um die Wahlbeteiligung und die Transparenz der Stimmenauszählung zu überwachen. Nach dem Sieg von Swetlana Tichanowskaja strebte das gemeinsame Team die Freilassung aller aus politischen und wirtschaftlichen Gründen Inhaftierten an und gab ihnen das Recht, ihre Fälle überprüfen zu lassen. Zentraler Grundsatz war die Abhaltung neuer Präsidentschafts­wahlen, an denen alle alternativen Kandidaten teilnehmen konnten.

Am Abend des 8. August, dem Tag vor den Wahlen, wurde Maria Kalesnikava von der Polizei festgenommen, aber schon wenige Minuten später wieder freigelassen. Dies wurde damit begründet, dass sie mit einer anderen Person „verwechselt“ worden sei.

Am 18. August wurde Maria Kalesnikava in das Hauptgremium des „Koordinierungsrates für die Organisation des Prozesses zur Überwindung der politischen Krise“ aufgenommen, und am 19. August wurde sie in dessen Präsidium gewählt.

Am 31. August kündigte Maria die Gründung der politischen Partei „Vmeste“ an, die auf Initiative der Zentrale von Viktar Babaryka gegründet wurde.

STRAFVERFOLGUNG

Am 7. September 2020 wurde Maria Kalesnikava von Unbekannten im Zentrum von Minsk entführt. Sie versuchten, sie in die Ukraine abzuschieben. Das Staatliche Grenzkomitee der Republik Belarus teilte mit, dass die Mitglieder des Koordinationsrates Maria Kalesnikava, Ivan Kravtsov und Anton Rodnenkov gegen vier Uhr morgens die Grenze zur Ukraine überschritten hatten. In Marias Fall scheiterte die Ausweisung daran, daß sie selbst ihren Pass zerriss. Am 8. September 2020 wurde sie erneut festgenommen.

Am 9. September teilte der Kalesnikavas Vater mit, dass sie verhaftet worden sei und sich als Verdächtige in einer Strafsache im Untersuchungsgefängnis Nr. 1 in Minsk in der Volodarsky-Straße befände. Am 12. September wurde sie von der Untersuchungshaftanstalt in Minsk in eine provisorische Haftanstalt in der Stadt Zhodino verlegt.

Am 16. September erhob das Untersuchungskomitee der Republik Belarus Anklage gegen Maria Kalesnikava gemäß Teil 3 des Art. 361 des Strafgesetzbuches der Republik Belarus (Aufforderung zu Handlungen, die auf eine Schädigung der nationalen Sicherheit abzielen und über die Medien und das Internet begangen werden) angeklagt, der eine Strafe von zwei bis fünf Jahren Gefängnis vorsieht. Am 6. Januar wurde bekannt, dass der Aufenthalt in der Untersuchungshaftanstalt bis zum 8. März verlängert wurde. Am 8. Januar 2021 wurde Maria von einem Gefängnis in Zhodino nach SIZO-1 in Minsk verlegt.

Im Februar 2021 wurde Maria Kalesnikava wegen Aufrufs zu Handlungen gegen die nationale Sicherheit, wegen Verschwörung zur verfassungswidrigen Ergreifung der Staatsgewalt und wegen Bildung einer extremistischen Vereinigung angeklagt, wofür ihr bis zu 12 Jahre Haft drohten.

Am 6. September wurde die politische Gefangene Maria Kalesnikava im Gebäude des Minsker Bezirksgerichts nach einmonatiger Verhandlung des Strafverfahrens verurteilt. Richter Sergei Epikhov befand sie in drei Artikeln des Strafgesetzbuches für schuldig: Teil 3 von Art. 361 (Aufruf zu Handlungen gegen die nationale Sicherheit), Teil 1 von Art. 357 (Verschwörung zur Ergreifung der Staatsgewalt mit verfassungswidrigen Mitteln) und Teil 1 von Art. 361-1 (Gründung und Führung einer extremistischen Gruppe) und verurteilte sie zu 11 Jahren Gefängnis. Maria wurde zur Haft in einem Arbeitslager verurteilt.

Am 24. Dezember 2021 prüfte der Oberste Gerichtshof die Berufung und bestätigte das Urteil gegen Maria Kalesnikava. Am 11. Januar 2022 wurde Maria in das IK Nr. 4 in Gomel verlegt.

Am 19. November 2020 gab der US-Botschafter der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa, Jim Gilmour, eine Erklärung ab, in der er die sofortige Freilassung von Maria Kalesnikava als „wichtigen Schritt zum nationalen Dialog“ forderte.

Während ihrer Zeit im Gefängnis erhielt Maria Kalesnikava zahlreiche Auszeichnungen im Bereich der Entwicklung der Zivilgesellschaft und des Schutzes der Menschenrechte.

N.R.M. – Die drei Schildkröten

„Try čarapachi“ oder „Die drei Schildkröten“ ist ein Lied der belarussischen Band N.R.M. aus dem gleichnamigen Album, das im Jahr 2000 erschien. Es ist das bekannteste Lied der Band N.R.M. und Lavon Volski, der nach der Trennung der Band das Lied weiterhin als Einzelmusiker aufführt.

Pete Pavlov – Gitarrist der Band N.R.M. – sagte, dass das Schildkröten-Thema ganz unerwartet auftauchte: die Musiker brachten das Volksalbum nach Polen, und Boris Jelzin sagte etwas Dummes im Fernsehen. Daraus wurde ein Motiv geboren: „Jelzin kommt heraus und erklärt: Die russische Staatlichkeit basiert auf drei Walen. Er wird gefragt: auf welchen? Und er antwortet: dem ersten, zweiten und dritten.“ Die Musiker lachten und ein paar Tage später dichtete Lavon Volski den Text des Liedes.

Die Handlung des Liedes basiert auf dem Mythos der drei Schildkröten (oder drei Walen mit Elefanten), die nach alten Überzeugungen die Erde halten. Im ersten Vers wird der Autor dazu gebracht, diesen Mythos als störende Phänomene des Alltags zu erwähnen – Kommunalgerüche, Stadt, Menschen, Leben; und eher erhabene Dinge – Berge. Der zweite Vers leugnet entschieden und eklektisch die Geschichte der Menschheit – kulturell, wissenschaftlich und politisch. Galileo Galilei, Bob Marley, Salvador Dali, Wladimir Lenin, John Lennon und Carl Linnaeus, die es nicht gab, werden konsequent benannt. Der dritte Vers sieht aus wie ein patriotisches Postskriptum mit einem wörtlichen Zitat aus Ales Stavers Zeilen: „Um Belarus, unsere zarte Mutter, zu lieben, muss man viele Länder bereist haben.“

Während der revolutionären Ereignisse im März 2006 hatte Lavon Volski die Idee, anstelle des traditionellen „Es kommen keine Überraschungen“ im letzten Refrain zu singen: „Müde vom Warten“. Seitdem singt er bei vom Publikum genehmigten Konzerten die veränderte Version. Der Zeit zum Trotz lebt der Hit „Die drei Schildkröten“ immer noch: er ist bekannt und wird auch von denen gesungen, die jünger sind als das Lied selbst. Die Rufzeichen „Die drei Schildkröten“ erwecken sofort das belarussische Herz. Im Jahr 2020 ist das Lied 20 Jahre alt geworden und wird zu einem Klassiker der belarussischen Protestbewegung.

Lavon Volski „Die drei Schildkröten“ (2019)
N.R.M. „Die drei Schildkröten“ (2000)

Text, Übersetzung (Deutsch)
N.R.M. – DIE DREI SCHILDKRÖTEN

Wenn es auf einmal kommunal duftet
Und das Leben würde dich zum erhängen bringen
Dann verstehst du, dass die drei Schildkröten
Wie zuvor die Erde auf sich ziehen.

Wenn du in die Stadt gehst
Oder kletterst die Berge hoch
Und knüpfst die Kontakte mit den Menschen
Dann verstehst du, dass unser Platz heute und gestern
Auf drei Buckelwalen ist.

Refrain

Gei la-la-la-lai warte nicht
Es kommen keine Überraschungen (es kommen)
Gei la-la-la-lai warte nicht
Warte nicht
Es gab keinen Galilei und Bob Marley
Es gab keinen Salvador Dali
Keinen Lenin, keinen Lennon
Keinen Karl von Linné
Es gab aber die Buckelwale und die Schildkröten

Refrain

Um Belarus, unsere zarte Mutter, zu lieben
Muss man viele Länder bereist haben
Dann verstehst du – es stehen
Unter unseren Füßen, ohne sich zu bewegen
Die drei Elefanten.

Refrain

Gei la-la-la-lai warte nicht
Es kommen keine Überraschungen (es kommen)
Keiner wartet und warte auch du nicht.

Original (belarussisch)

N.R.M. – Тры Чарапахі

Калi раптам адчуеш камунальныя пахi
I жыцьцё цябе возьме ў пятлю.
Зразумееш тады, што тры чарапахi
Па ранейшаму цягнуць Зямлю.
Калi выйдзеш у горад, цi залезеш у горы,
I з людзьмi ўсталюеш кантакт.
Зразумееш тады, што i сёньня i ўчора
Наша месца на трох кiтах.

Прыпеў:
Гэй, ла-ла-ла-лай, ты не чакай, сюрпрызаў ня будзе.
Гэй, ла-ла-ла-лай, ты не чакай, ты не чакай.

Не было Галелея i Боба Марлея,
Не было Сальвадора Далi.
Нi Ленiна, нi Ленана, нi Карла Лiнэя,
А кiты, чарапахi былi.

Прыпеў.

Каб любiць Беларусь, нашу мiлую Маму,
Трэба ў розных краях пабываць!
Зразумееш тады – пад тваiмi нагамi
Тры сланы нерухома стаяць.

Прыпеў:
Гэй, ла-ла-ла-лай, ты не чакай, сурпрызаў ня будзе.
Гэй, ла-ла-ла-лай, нiхто не чакае, i ты не чакай!